Natürlich und einzigartig

Ob bei der Produktion von Kapseln oder Tabletten, als Bestandteil von Wundauflagen, blutstillenden Schwämmen oder Volumenersatzmitteln – Gelatine beweist in der pharmazeutischen Industrie und der Medizin ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten.

Gelatine ist ein wichtiger Rohstoff für die Produktion von Hart- und Weichkapseln

Gelatine ist ein wichtiger Rohstoff für die Produktion von Hart- und Weichkapseln sowie beschichteter Film- und Brausetabletten. Hersteller nutzen die einzigartigen Klebe-, Gel- und Filmbildungseigenschaften. Vor allem oral einzunehmende Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel werden in gelatinehaltigen Kapseln oder Tabletten vor Licht, Feuchtigkeit und Sauerstoff geschützt und lange haltbar gemacht.

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Lebensretter in der Medizin

Verbraucher profitieren von einer sicheren Dosierung und einer angenehmen Einnahme, weil sich Kapseln und gelatinebeschichtete Tabletten leichter schlucken lassen. Nicht zuletzt hat Gelatine kaum allergenes Potential und ist als ein natürliches Produkt gut verträglich.

Bereits seit 1897 werden Hartkapseln in ihrer charakteristischen zylindrischen Form hergestellt. Sie bestehen üblicherweise zu 80 bis 85 Prozent aus Gelatine und zu etwa 10 bis 15 Prozent aus Wasser. Weitere Bestandteile können zum Beispiel Farbstoffe sein.

Hartkapseln werden traditionell für pulverige oder granulierte Arzneien genutzt. Dank moderner Produktionstechniken können sie aber mittlerweile auch mit flüssigen oder pastösen Formulierungen gefüllt werden. Die Herstellung erfolgt in zwei Schritten: Zunächst werden zwei leere Kapselhälften, „Body“ und „Cap“, produziert und zusammengesteckt. Anschließend werden sie beim Arzneimittelhersteller wieder geöffnet, mit Inhalt gefüllt und fest verschlossen.

Hartkapseln sind elastisch und widerstandsfähig. Die Gelatinekapsel bildet einen wirksamen Schutz vor Umwelteinflüssen wie Sauerstoff oder Feuchtigkeit, die den Effekt von Wirkstoffen verringern oder verändern können. Erst im Verdauungstrakt werden die Kapseln aufgelöst und geben die Wirkstoffe frei. Die dünne Gelatinebeschichtung erleichtert die orale Einnahme und verbirgt den unangenehmen Geschmack oder Geruch mancher Inhaltsstoffe. Mit speziellen Farbstoffen, die für pharmazeutische Anwendungen zugelassen sind, können sie ein- oder zweifarbig eingefärbt werden. Das hilft nicht nur dem Verbraucher, unterschiedliche Arzneimittel in Hartkapseln voneinander zu unterscheiden, sondern kann auch dazu dienen, lichtempfindliche Inhaltsstoffe zu schützen.

Ein weiterer Vorteil der Hartkapseln ist die Haltbarkeit der Inhaltsstoffe in der gewünschten Zusammensetzung über einen langen Zeitraum hinweg. Das gilt natürlich auch für Weichkapseln. Insgesamt werden fast 90 Prozent der pharmazeutischen Gelatine für die Produktion von Hart- und Weichkapseln genutzt.
 

Im Gegensatz zu Hartkapseln werden die konvex geformten Weichkapseln in einem Stück und mit dickeren Kapselwänden produziert. Sie sind geschmeidiger und weicher und werden üblicherweise mit öl- und pastenförmigen Wirkstoffen gefüllt. Die Herstellung der Kapseln und ihre Füllung erfolgen dabei in einem einzigen Produktionsschritt. Ebenso wie Hartkapseln schützt die Gelatinekapsel licht- und sauerstoffempfindliche Inhaltsstoffe, erleichtert die orale Einnahme und verbirgt den unangenehmen Geschmack oder Geruch.

Weichkapseln geben Herstellern die Möglichkeit, flüssige Substanzen, etwa Vitamine auf Ölbasis, genau zu dosieren. Mit Hilfe von ölbasierten Formulierungen können außerdem mehrere Wirkstoffe in einer Kapsel kombiniert werden. Weichkapseln sind wie Hartkapseln geruchs- und geschmacksneutral und lassen sich dank ihrer weichen Oberfläche gut schlucken.

Weichkapseln können in verschiedenen Formen und Farben hergestellt werden und sind auch für die Portionierung kosmetischer Produkte beliebt. Als Badekugeln kommen sie beispielsweise für die kosmetische Industrie zum Einsatz. Außerdem werden sie für Cremes, Salben oder Hautöle genutzt. Dabei sorgt die Weichkapselhülle ebenfalls für den Schutz von licht- und sauerstoffempfindlichen Inhaltsstoffen und ermöglicht die Entwicklung passgenauer Anwendungsformen, die Hersteller- und Verbraucherwünschen entsprechen.
 

Tabletten können mittels eines Tauchverfahrens mit einem Überzug aus Gelatine versehen werden. Die Gelatineummantelung dieser so genannten Filmtabletten macht die Tabletten härter und stabiler. Filmtabletten lassen sich außerdem für eine bessere Erkennbarkeit einfärben oder bedrucken und dank der glatten Oberfläche leichter schlucken. Auch hier schützt die Beschichtung vor Licht und Sauerstoff und verbirgt einen eventuell unangenehmen Geschmack oder Geruch.

Für die Herstellung von Vitamin-Brausetabletten und anderen pulverisierten, wasserlöslichen Formen werden ebenfalls Varianten der pharmazeutischen Gelatine sowie Kollagenpeptiden als Trocknungs- und Bindemittel eingesetzt. So lassen sich beispielsweise feine Tröpfchen von öllöslichen Vitaminen in eine wässrige Gelatinelösung einbinden. Indem die Gelatinelösung die Vitamine umschließt, werden sie langfristig vor Licht, Sauerstoff und Feuchtigkeit geschützt, die deren Wirkung andernfalls verändern oder abschwächen können.

Durch spezielle Erstarrungs- und Trocknungsverfahren entsteht ein Pulver, das sich anschließend sowohl in warmen als auch in kalten Flüssigkeiten auflösen lässt. Gleichzeitig kann es in stabile, lagerfeste Formen gepresst werden, zum Beispiel zu Brausetabletten.
 

Infografik über pharmazeutische Gelatine

Lebensretter in der Medizin

In der Notfallmedizin dient Gelatine als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Blutersatzmitteln, wie beispielsweise Plasmaexpandern. Sie erhöhen den Flüssigkeitsgehalt im Blutkreislauf und beugen Volumenschock vor. In der Chirurgie (zum Beispiel in der Mundhöhlen- und Augenchirurgie, Urologie oder Gynäkologie) haben Gelatineschwämme und -folien als lokales blutstillendes Produkt und zur Wundversorgung nach zahnärztlichen Eingriffen schon eine lange Tradition. Durch ihre Struktur können die Gelatineschwämme große Blutmengen aufnehmen und neues Gewebe kann in sie hineinwachsen. Da die Schwämme oder Folien innerhalb weniger Tage vom Körper vollständig resorbiert werden, können sie ohne Probleme in der Wunde verbleiben.

Sicherheit

Für die pharmazeutische Verwendung von Gelatine gelten zusätzliche Anforderungen, die in speziellen Vorschriften festgehalten sind. Demzufolge muss Gelatine, die zu diesen Zwecken eingesetzt wird, die geltenden Anforderungen an Speisegelatine sowie die Bestimmungen für medizinische Produkte erfüllen. Das Europäische Arzneimittelbuch enthält weitere spezifische Anforderungen für die Erzeugung von pharmazeutischer Gelatine sowie für die physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Qualitätsmerkmale des fertigen Produktes. Gelatine für die Pharmaindustrie muss zudem durch die EDQM (Europäische Direktion für die Qualität von Medikamenten) zertifiziert werden.

Infografik über die Gesundheitsversorgung
  • Notfallmedizin

    Gelatine dient als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Blutersatzmitteln wie zum Beispiel Plasmaexpandern. Plasmaexpander sind flüssige pharmazeutische Produkte, die Gelatine und Mineralsalze enthalten. Bei Blut- oder Plasmaverlust helfen sie den Blutkreislauf zu stabilisieren, z.B. während einer Operation.

  • Anwendungen in der Chirurgie

    Gelatineschwämme und -folien haben im Bereich der Chirurgie eine  lange Tradition. Als lokales blutstillendes Mittel ermöglichen sie die Aufnahme großer Blutmengen. Außerdem unterstützen sie die Wundheilung, da neues Gewebe in das Gelatineprodukt hineinwachsen kann.

  • Pharmazeutischer Hilfsstoff

    In der pharmazeutischen Technologie dient Gelatine als Bindemittel bei der Feuchtgranulierung von Pulvermischungen oder kann als Trägerstoff für ölige Produkte verwendet werden. Hart- und Weichkapseln sind das wichtigste Anwendungsgebiet.